Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Neulich in Meilen: Booster

Neulich sass ich an der Bar und erzählte Jimmy, der mir ein frisches Bier hingestellt hatte: «Ich hab diese Woche meinen Booster bekommen.» – «Ah, warst du in unserem Impfzentrum?» – «Nein, als Natalie Rickli endlich grünes Licht für die regionalen Impfzentren gab, hatte ich meinen Termin schon. Ich war am Bellevue im Impftram.»

Ein weiterer Gast betrat die Bar, bestellte ebenfalls ein Bier und setzte sich auf den übernächsten Barhocker.

«Was würdest du sagen, was Nerds sind?» – «Nerds?» Jimmy überlegte kurz, während er auf den Zapfhahn sah und meinte schliesslich: «Das sind doch diese Superhirne, die in einem Fachgebiet absolute Spitze sind, aber mit dem täglichen Leben nicht zurechtkommen.» – «So ähnlich hätte ich es auch beschrieben», sagte ich zustimmend. «Warum fragst du?» – «Als ich da vor dem Impftram Schlange stand, kam ein Mann mit Frau und Kind vorbei, und als er uns da warten sah, sagte er zu seiner Frau: ‚Das sind alles Nerds.’» – «Er machte sich über die Impfwillgen lustig?» – «So musste ich seinen Kommentar verstehen.» Jimmy schüttelte den Kopf. «Aber dann ist er doch der Nerd!»

Nun hatte sich auch der Mann zwei Stühle weiter eingeschaltet. «Nerds sind Sonderlinge, die die sozialen Gepflogenheiten nicht verstehen. Manchmal, weil sie zu gescheit sind. Sehr häufig aber einfach, weil sie nicht verstehen wollen. Die müssten alle einen Hirnbooster bekommen!» Ich blickte zu meinem Nachbarn hinüber, einem schlanken Mann mit hoher Stirn und schwarzem Schnauz. Er war sichtlich aufgebracht. «Ganz soweit würde ich nun nicht gehen», sagte ich. «Aber ich dachte schon auch: Wenn einer ein Nerd ist, dann ist es doch er.» Jimmy sekundierte mir und meinte: «Die Impfverweigerer sind die Sonderlinge. Aber sie sind keine Superhirne.» – «Das bestimmt nicht!» Mein aufgewühlter Nachbar leerte sein Glas und sagte: «Noch eine Stange.» Jimmy hielt ein Glas unter den Zapfhahn und fragte mit Blick zu mir: «Für dich auch eine?» – «Nein, danke. Ich muss weiter. Hat mich gefreut», sagte ich zum Schnauzbärtigen neben mir. «Ebenso», kam es von ihm zurück. «Bis nächste Woche, Jimmy!» – «Ja, bis nächste Woche!» Ich öffnete die Tür und trat in die kalte Nacht hinaus.

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